Liebe Freunde, an unserem zwölften Tag in Äthiopien haben wir den Vormittag dazu genutzt, um unseren Partner REST noch einmal in seinen Büroräumen in Mek’ele zu besuchen und dort noch einmal persönlich Gespräche mit den REST-Mitarbeitern Weredekal Atsbeha, Danel Hugos und Mehari Hugos zu führen.
So bietet REST seit 40 Jahren verschiedene Entwicklungsprogramme an, die vor allem auf die Beseitigung von Armut und die Erhöhung der Lebensqualität der in Tigray lebenden Menschen abzielen, indem beispielsweise die Nahrungsmittelsicherheit erhöht oder der Zugang zu Trinkwasser sichergestellt wird. Uns ging es auch dieses Mal darum, möglichst viel über den Bereich der Wasserversorgung zu erfahren.
So erfuhren wir, dass REST in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Fortschritte bei der Trinkwasserversorgung durch Brunnen erzielt hat: Während 1992 nur zwei Prozent der Tigray-Region mit Brunnen ausgestattet waren, kann REST Stand heute eine Abdeckung von ca. 49 Prozent vorweisen – ausgehend vom Maßstab 25 Liter pro Person pro Tag, mit einer maximalen Distanz von 1,5 Kilometern zum nächsten Brunnen. Gleichzeitig betonten alle Gesprächspartner, dass dies bei Weitem mehr als nur eine reine Zahl für sie sei – vielmehr sind es die direkten Auswirkungen, die die Menschen vor Ort dadurch positiv erfahren, die sie berühren und Motivation für ihr Tun sind: Neben den gesundheitlichen Aspekten, die allen zugutekommen, würden dabei vor alle die Kinder und Frauen profitieren, da sie jetzt nicht mehr mehrere Stunde pro Tag für die Wasserbeschaffung aufwenden müssten.
Dabei sei es für die Verantwortlichen von REST immer wieder schön zu erleben, wie es den Menschen vor Ort, die vorher durch die unzureichende Wasserversorgung mit diversen Problemen zu kämpfen hatten, nun direkt besser gehen würde und ihr Tun somit aktiv Leben verändern würde. Der wahre Effekt wäre ihrer Meinung nach einfach nicht in Zahlen auszudrücken. So bedeutet der Zugang zu Wasser nicht nur die Erfüllung eines Grundbedürfnisses, sondern ermöglicht überhaupt erst ein richtiges Leben. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass Wasser nicht nur Leben bedeutet, sondern auch immer auch eine Lebensbedrohung darstellen kann – wenn es nicht vorhanden ist oder nur in unzureichender Qualität.
Im Rahmen unseres Gesprächs über die Auswirkungen der Programme kamen wir auch auf das Thema Frauenrechte zu sprechen: So besteht ein weiteres Ziel von REST darin, Frauenrechte zu stärken. Ein großes Problem, von dem vor allem Frauen betroffen sind, besteht darin, dass die Mehrheit der Haushalte allein von Frauen geführt wird. Aufgaben wie die Nahrungsmittelzubereitung, die Erziehung der Kinder oder die tägliche Wasserbeschaffung werden dabei in der Regel ausschließlich von Frauen organisiert. REST möchte dies in der Form ändern, als dass sie eine gleichberechtigte Arbeitsaufteilung, bei der der Ehemann einer Familie einen gleichberechtigten Anteil an diesen Aufgaben hat, anstrebt.
Praktische Maßnahmen zur Einleitung einer gleichberechtigten Aufgabenteilung und somit einer Gleichstellung von Mann und Frau verfolgt es dabei beispielsweise durch die Einführung einer Frauenquote innerhalb der Besetzung von WASH-Komitees. So wurde uns berichtet, dass es Frauen seit kurzem erstmals möglich ist, als Leiterin einer WASH-Co benannt zu werden und auch in anderen Bereichen würde man eine deutliche Steigerung des Frauenanteils wahrnehmen, beispielsweise in Bürojobs oder auch im Parlament.
Ein weiterer interessanter Punkt war für uns die Einschätzung, dass sich insbesondere Schulen besonders gut als Ansatzpunkt für WASH-Projekte eignen würden: So würden durch die Installation von Brunnen und Sanitäranlagen mit den dazu erforderlichen Schulungen zum richtigen Umgang mit den WASH-Themen nicht nur die Schule und die jeweiligen Schüler, sondern auch die umliegenden Gemeinden profitieren, da das Wissen von den Kindern an die Gemeinschaftsmitglieder direkt weitergegeben würde. So würde in einem nächsten Schritt auch die Gemeinde von diesen Maßnahmen lernen.
Erst auf diese Weise lässt sich wiederum Open Defectation und ähnliches langfristig und umfassend reduzieren, da nur durch Mitwirkung aller dort lebenden Menschen eine weitere Verunreinigung der Umgebung zu verhindern sei. Dass dieses Weitergeben von Wissen durch die Kinder an ihre Familienmitglieder und Gemeindemitglieder besonders effektiv ist, begründeten die REST-Verantwortlichen damit, dass es grundsätzlich immer schwer ist, andere Menschen zu einem Umdenken und vor allem zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Indem dies lokal weitergegeben würde, könnten Widerstände reduziert werden.
Neben der Verbesserung der Trinkwasserversorgung durch den Bau von Brunnen kamen wir auch auf einen anderen Bereich zu sprechen, der die indirekte Wasserversorgung betrifft: Den Bau von sogenannten Terrassen, wie sie fast überall in der Region vorzufinden sind. Vielleicht habt ihr diese bereits in einem unserer Videotagebücher gesehen: Statt eines normalen Abhangs sind die Berge durch mehrere Stufen, sogenannte Terrassen gekennzeichnet, die wiederum mit kleineren Befestigungen voneinander abgetrennt sind. Aus der Ferne betrachtet sieht es also aus, als ob der Berg aus mehreren Stufen bestehen würde.
Diese werden künstlich angelegt, um eine Degradation zu vermeiden: So tragen die Terrassen dazu bei, dass die Erde nicht abrutscht, und schützen somit vor Erosion, gleichzeitig trägt es dazu bei, dass das Wasser sich nicht erst am Fuße des Berges sammelt, sondern auf den einzelnen Terrassenstufen verbleibt. Dies wiederum macht es möglich, die einzelnen Terrassenstufen agrar-wirtschaftlich überhaupt erst zu kultivieren und Pflanzen anzubauen. Die Terrassen werden dabei von der lokalen Bevölkerung mit lokalen Materialien selbst gebaut.
Nach den Gesprächen hieß es für uns aber schon wieder ab ins Hotel, Sachen packen und essen, bevor es um 13 Uhr zu unserem nächsten Ziel nach Alamata ging, wo wir am Abend recht zeitig ins Bett gingen, da es am nächsten Tag zur nächsten Schule gehen sollte.
Euer Caro und eure Shari von Team B