team-b: tag 6

2016-06-02

Liebe Freunde, heute klingelte bei uns schon sehr früh der Wecker, um 6.45 saßen wir bereits im Auto, um in Richtung der Community May Liham zu fahren – natürlich noch etwas verschlafen, aber voller Vorfreude darauf, eine Gemeinde besuchen zu dürfen. May bedeutet auf Tigrinya übrigens Wasser, Liham ist eine besondere Art von Baum, die dort wächst.

Auch heute kamen wir auf unserer Fahrt ab einer bestimmten Stelle nur sehr mäßig voran und mussten dann noch ein wenig laufen. Der Weg war sehr steinig und eng, sodass man an der einen oder anderen Stelle schon etwas Sorge davor hatte, auszurutschen. Ihr müsst euch vorstellen, dass die Gemeinde May Liham wirklich abgelegen in Mitten von Bergen liegt – es ist eine wahnsinnig schöne Landschaft.

Schon von weitem hatten uns die Gemeinde-Mitglieder bemerkt. Es wurde sofort in ein Horn geblasen, um alle zu versammeln, sodass sie uns begrüßen konnten. Sobald wir in Sichtweite waren, wurde gesungen und geklatscht – mal wieder ein Gänsehaut-Moment.

Nachdem wir uns gegenseitig begrüßt und uns dafür bedankt hatten, da sein zu dürfen, füllten wir gemeinsam mit den Frauen und Kindern der Gemeinde am Brunnen ihre Kanister auf. Wir können euch sagen: Das ist gar nicht mal so einfach. Es ist sehr heiß hier, und wenn man dann einige 20 Liter Kanister befüllt, muss man schon ordentlich pumpen. Aber es machte auch sehr viel Spaß, gemeinsam mit den Gemeinde-Mitgliedern die Kanister zu befüllen und den Brunnen zu nutzen.

Manchmal ist es so surreal: Man steht vor der – unserer – Plakette des Brunnens, auf der Neven Subotic Stiftung steht sowie der Name der Gemeinde, und kann es einfach kaum glauben, dass dieser Brunnen wirklich existiert und so vielen wunderbaren Menschen einen gesunden und menschenwürdigen Alltag garantiert. Es ist einfach unglaublich.

Der Brunnen wurde übrigens erneuert. Der, der vorher in der Gemeinde stand, war ein Brunnen, der ohne maschinelle Unterstützung gebaut wurde. Nach einigen Jahren trug er kaum noch Wasser, da er nicht tief genug war, sodass die Gemeinde um einen Erneuerung des Brunnens bitten musste. So geschah es: Der Brunnen ist nun tiefer, geschützt, funktioniert einwandfrei und trägt genug sauberes Wasser für die knapp 150 Menschen in der Gemeinde.

Im Anschluss an das Wasserholen fand eine richtige Zeremonie für uns statt: Es wurde frischer Kaffee gemahlen und gebraut, dazu wurde Brot mit Honig serviert. Das waren wahrscheinlich das beste selbst gebackene Brot und der beste Honig, den wir je gegessen haben. Man konnte die Reinheit und die Natur förmlich schmecken. Es war ein sehr idyllischer und besonderer Moment, gemeinsam mit der Gemeinde zu essen und zu trinken. Die Gastfreundschaft hier sucht wirklich ihresgleichen.

Es gab außerdem auch Popcorn. Das Popcorn hier müsst ihr euch so vorstellen: Es ist sehr weiß, sehr salzig, sehr lecker! Mit dem Popcorn wurden wir übrigens auch bei unserer Ankunft beworfen. Das macht man hier so als Zeichen des Willkommens, einfach herrlich.

Nach dieser leckeren Stärkung konnten wir drei der Gemeinde-Mitglieder näher kennen lernen.

Wir sprachen lange mit dem Dorfältesten, Beyene Gebregewergis, der uns sehr beeindruckte. Er erzählte uns eine Menge – auch persönliche – Dinge aus seinem Leben. Er hat sechs Kinder, die alle zur Schule gehen. Obwohl er selbst und seine Frau nie zur Schule gehen konnten, ist ihm bewusst, wie wichtig Bildung für seine Kinder ist, weshalb er sie auf jedem Schritt unterstützt. Sein größter Wunsch ist es, dass alle sechs eines Tages ökonomisch komplett unabhängig sind. Das bedeutet, dass er möchte, dass sie nicht abhängig vom Staat sind, sondern – ganz im Gegenteil – anderen bedürftigen Gemeinden helfen können. Das Gespräch war sehr bewegend.

Des Weiteren durften wir mit Zafu Desta, einem Mitglied der WASH-Co, sprechen. Ihr erinnert euch, dass jede Gemeinde geschult wird, wenn sie einen Brunnen bekommt. Das heißt, dass ein WASH-Commitee gewählt wird, das mindestens zu 50% aus Frauen besteht und dafür sorgt, dass der Brunnen nachhaltig funktioniert und die Gemeinde im Umgang mit diesem geschult wird. Zafu erzählte uns davon, wie es ist, Mitglied im WASH-Co zu sein und darüber, was es für sie bedeutet: Nämlich alles. Das Schönste für sie ist, erzählte sie uns, eine so große und lebenswichtige Verantwortung tragen zu dürfen, dem jüngsten bis zum ältesten Mitglied der Gemeinde, die Bedeutung von sauberem Wasser näher zu bringen und somit einen positiven Einfluss auf ihre Leben zu nehmen. Zafu erzählte uns allerdings auch, dass es ihr manchmal leid tut, dass noch nicht jede Gemeinde einen Brunnen hat, und dass sie möchte, dass es auch allen anderen in der Umgebung so gut geht, wie ihrer eigenen Gemeinde.

Zum Schluss haben wir Gebre kennen gelernt. Gebre ist Brunnentechniker. Das war für uns eine sehr besondere Begegnung, denn Gebre hat den Brunnen vor neun Monaten erneuert. Er erzählte uns mit strahlenden Augen, wie es ist, endlich auf Wasser zu stoßen. Denn es ist auch gefährlich, Brunnenbauer zu sein, wenn man ohne Maschinen arbeitet. Gebre arbeitet oft mit explosivem Material. Somit ist es für ihn sowohl eine Erleichterung als auch eine unendliche Freude, wenn er endlich auf Wasser stößt und weiß, dass er nun Hunderten von Menschen eine bessere Zukunft garantieren kann.

Gebre hat bei uns – wie alle anderen – einen starken Eindruck hinterlassen, weshalb wir ihn gerne noch näher porträtieren möchten. Deshalb begleiten wir ihn morgen den ganzen Tag lang und schauen, wie er eine Gemeinde im Umgang mit dem Brunnen technisch schult. Wir freuen uns schon sehr, dabei sein zu dürfen und Gebre dadurch besser kennen zu lernen.

Für den Rest des Tages heißt es für uns: Früh ins Bett, denn wir sind alle sehr kaputt, jedoch auch sehr beseelt von den schönen Erlebnissen der letzten Tage. Es sind so viele Eindrücke, dass man sie kaum verarbeiten kann.

Wir versuchen allerdings unser Bestes, alles zu verstehen und zu verarbeiten durch viele Gespräche mit unseren äthiopischen Freunden hier und auch unter uns innerhalb des Teams.

Apropos innerhalb des Teams: Vera, Tom und Caspar leisten eine so gute, so sensible und wunderbare Arbeit, dass uns manchmal der Mund offen steht. Genau wie das komplette Team A, denen wir an dieser Stelle dankbare Grüße schicken.

Wir freuen uns morgen wieder auf euch! Mit den liebsten Grüßen aus Axum,

Eure Carolin und eure Shari von Team B

Die Fotos stammen von unserer Fotografin Vera Dammberg.